24.07.2019
oqbo Rahmenhandlung #5: Studierende der HEAD–Genève und der UdK Berlin
„Vanitas“ von Katharina Hohmann und Pablo Rezzonico Bongcam
Im Schaufenster der Galerie oqbo, Raum für Wort, Bild und Ton in der Brunnenstrasse, spiegelt sich ein Blumengeschäft. Wenige Meter nur trennen die beiden Eingänge oder besser: verbinden sie.
Im Rahmen der Ausstellung „DOMESTIC PLANTS - Relations between Humans and Houseplants“ setzten sich 26 Kunst-Studierende der HEAD–Genève und der UdK Berlin mit dieser Nachbarschaft auseinander. Auf ganz unterschiedliche Weise untersuchen sie Phänomene des Austausches zwischen den so unterschiedlich gearteten Lebewesen und interpretieren die Aspekte des Zusammenlebens der Spezies Mensch und Pflanze mit verschiedensten Medien neu.
Als begleitende Rahmenhandlung wurde die Installatin „Vanitas“ von Katharina Hohmann und Pablo Rezzonico Bongcam im gegenüberliegenden Blumengeschäft ausgeführt.
Die jungen Künstler erläutern dazu:
Vanitas ist eine kleine Installation, bestehend aus drei künstlichen Pflanzen in Töpfen: jeweils ungefähr zwanzig Zentimeter hoch, sind sie auf einem Holzbänkchen mit gedrechselten Beinen, im, der Galerie OQBO gegenüber liegenden Pflanzengeschäft: BLUMEN & PFLANZEN, ausgestellt. Am Tag und auch nachts werden sie von einer Rotlichtlampe beleuchtet, eine Form der Lichttherapie, wie man sie beim Menschen für die Heilung von Erkältung, Akne, Muskelverspannungen etc. einsetzt. Für Pflanzen benutzt man Infrarotlicht, welches ein wichtiger Bestandteil des Sonnenlichts ist, um Pflanzen zur Photosynthese anzuregen.
Pablo Rezzonico Bongcam: „Künstliche Pflanzen, wie wir sie normalerweise in Geschäften finden, haben für mich eine existentielle Rolle: Sie dienen der Illusion des Unveränderlichen, der Unsterblichkeit, ein Thema das so alt ist wie die Menschheit. In unserer Komfortgesellschaft und im Kontext der häuslichen Umgebung, spielen künstliche Pflanzen eine eher beruhigende Rolle und erzeugen die Illusion von Leben, ohne um Fürsorge oder Aufmerksamkeit zu bitten. Zusätzlich zu ihrem Symbolgehalt, werden sie zur Attrappe, nutzlos, absurd. Vielleicht sind sie auch das Symptom einer gewissen kollektiven Niederlage indem sie Gemeinschaftsorte, wie Eingangsbereiche usw. schmücken. Kein Mensch hat mehr die Verantwortung sich um sie zu kümmern und sie zu bewässern. In Anlehnung an die lange Tradition des Vanitas Motivs in der Malerei, verstehe ich meine Skulpturen als Erinnerungsobjekte. Mit einem gewissen schwarzen Humor, zaubern diese ausgetrockneten Pflanzen, die durchaus auch von Romantik geprägt sind, mehr Phantasien von künstlichem Leben, von Marionetten bis hin zu monströsen Kreaturen.“
Als Schwellenwerk ist Vanitas die Ineinander-Spiegelung von zwei Orten des Zeigens: dem von Kunst in der Galerie und dem Ausstellen von Pflanzen im Blumengeschäft.
Die Arbeit bringt diese beiden Orte in eine unmittelbare Beziehung und überwindet damit das Besucherverhalten: Es sind kaum dieselben Menschen, die sich für beide Orte interessieren.
Es handelt sich um sehr verschiedene Arten von Begehren: Der intellektuelle Mehrwert welcher den meisten Kunstwerken immanent ist, bedarf einer anderen Befragung als die Kontemplation von Blumen und Pflanzen. Oder auch nicht?
Die drei Skulpturen – auch die schwarzen, Raku-gebrannten Blumentöpfe – sind aus Ton, Harz und synthetischen Pasten, wie FIMO hergestellt. Alle Elemente sind modelliert und anschliessend mit verschiedenen dekorativen Elementen aus dem Modell- bzw. Dioramenbau (Kieselsteine, falsches Gras, Sand usw.) verziert worden.
Der Bezug zum eigentlichen Thema der Rahmenhandlungen, zu Fragen von Zugänglichkeit, ist hier auf den ersten Blick nur zu erahnen. Was die jungen Künstler mit „Überwindung des Besucherverhaltens“ und „Ineinander-Spiegelung von zwei Orten…“ benennen, kann man auch als Befragung unseres Rezeptionsverhaltens gegenüber der alltäglichen Umwelt verstehen. Und damit ist der Bogen zu Fragen der Zugänglichkeit geschlagen: Es geht auch um Fragen der Rezeption des „anders sein“ und den damit verbundenen Aus- und Eingrenzungen.
Zugegeben, nicht ganz einfach! Aber wer Kunst verstehen will, muss sich (oder die Kunst) gelegentlich etwas strecken.