Quartiersräte-Kongress 2017

10.11.2017

Neues Format - altes Problem

Nachdem 2016 der Quartiersrätekongress wegen der Wahlen ausgefallen war, sollte dieses Jahr die Nähe der Politik zu ihren Bürgerinnen und Bürgern mit einem neuen Format gefeiert werden.

Die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen Frau Lompscher führte in ihrer Eröffnungsrede aus, dass „die Ausprägung der Bürgerbeteiligung ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Programm Soziale Stadt“ sei. Sie beschrieb die Praxis der Bürgerbeteiligung als ein „gutes Vorbild für alle anderen Themen, die wir (Anmerk. d. Verfassers: wir= Senat) in der Stadt angreifen“.

Wer weiß wie es um die Bürgerbeteiligung tatsächlich bestellt ist, sieht bei diesem Bezug auf die Praxis das halb leere Glas endgültig umgestoßen.

Wie schwer sich die politische Verwaltung mit der Bürgerbeteiligung tut, ist nicht nur daran zu erkennen, dass Frau Lompscher die „kritische Reflexion“ bisheriger Erfahrungen mit dem Programm „Soziale Stadt“ und mit Bürgerbeteiligung als „Experiment“ beschreibt. Die Schwierigkeiten zeigen sich auch an der Vorbereitung und Organisation des aktuellen Quartiersräte-Kongresses.

Für den Kongress wurden 4 Quariersrätinnen und -räte ausgewählt, die auf einem Podium platziert auf vorher festgelegte Fragen zu definierten Themen persönliche Sichtweisen beitragen sollten. Was für ein wagemutiges Experiment! (Man versicherte uns aber, eine eigene Meinung haben zu dürfen! Toll!)

Die Zusammensetzung der für das Podium ausgesuchten Quartiersrätinnen und -räte schien einigermaßen willkürlich und wirft mindestens folgende Fragen auf:

  • Durch welches Mandat legitimierten sich die 4 Quartiersrätinnen und -räte?
  • Wieso kamen sie nur aus dem Westteil der Stadt?
  • Wieso waren keine Quartiersrätinnen und -räte mit migrantischem Hintergrund vertreten?
  • Wieso waren die Quartiersrätinnen und -räte nicht in die Vorbereitung des Quartiersrätekongress einbezogen worden?

Bei der Weiterentwicklung „der Ausprägung der Bürgerbeteiligung“ ist also noch viel Luft nach oben. (Oder ist alles sowieso nur „warme Luft“?)

Die fragwürdige Legitimierung der Podiumsgäste war den Veranstaltern wohl auch bewusst und so dienten die 4 Quartiersrätinnen und -räte eher der Dekoration, denn der aktiven Beteiligung. Ihre exponierte Positionierung passte nicht so recht zu der ihnen zugewiesenen passiven Rolle.

Gucken wir uns noch mal das halb leere Glas von eben an. Jetzt als halb volles und nicht umgekippt.

Immerhin hatte sich die unangenehme Selbstdarstellung der Politik, wie auf dem Quartiersrätekongress 2015 praktiziert, nicht wiederholt. Die Senatorin übte vornehme Zurückhaltung und Wortmeldungen waren nicht wie 2015, auf eine einzige Frage (weitere Nachfragen an den Senator wurden nicht gestattet) limitiert.

Das neue Format stellte also auf jeden Fall eine Verbesserung dar. Was aber auch kaum zu vermeiden war, nimmt man den QR-Kongress 2015 als Referenz. (Senats-Motto: Solange die Latte so hoch liegt, dass man bequem unten durchgehen kann, sind wir dabei!)

Mitri Sirin, der den Kongress moderierte, ließ allen Diskutanten aus dem Plenum ausreichend Zeit ihre Gedanken vorzutragen und das Plenum blieb von unverbindlichen Politiker-Repliken, wie 2015, verschont.

Im Laufe des Kongresses wurde klar, dass sich die Unzufriedenheit mit der partizipatorischen Praxis durch nahezu alle Redebeiträge zog. Diesbezüglichen Frust scheint es in allen Quartieren zu geben.

Frau Lompscher kündigte in ihrer Begrüßungsrede an, 2018 in verschiedenen Workshops Rolle und Ausrichtung des Programms „Soziale Stadt“ und der QMs kritisch untersuchen zu lassen. Dazu seien die Quartiersrätinnen und-räte herzlich eingeladen. (Partizipative Evaluation nennt sich das dann.)

Wir dürfen gespannt sein, wie weit das Verständnis von Partizipation sich bis dahin entwickelt haben wird.

Das Buffet war lecker!

QR Kongress 2017